Der Mount Everest hat schon immer eine ganz bestimmte Magie auf mich ausgeübt. Ihn überhaupt zu sehen, wenngleich auf ihm zu stehen, erschien für mich unmöglich und war doch nur den Eliten vorbehalten. Zuviel Training, zuviele Jahre, die ich verloren habe oder in denen ich mich auf andere Dinge konzentrierte, sind ins Land gegangen. Unmöglich, diese Challenge zu meistern.

Ich liege gerade auf meiner Couch, meine Tochter ist im Bett und ein arbeitsreicher und wahnwitziger Tag neigt sich dem Ende zu. Auf Youtube schaue ich einen TedX Talk von einem buddhistischen Mönch. Ich möchte ihn dir hier direkt verlinken:

Lass mich dir den Talk in wenigen Worten zusammenfassen und dir erklären was das ganze mit mir und meiner Mount Everest Story zu tun hat.

Nun, Meister
Shi Heng Yi wurde in Deutschland geboren und durfte die Privilegien zweier Kulturen erfahren. Aus einer asiatischen Familie stammend, sah er sich schnell dem gesellschaftlichen Druck ausgesetzt, eine akademische Laufbahn zu belegen. Nach vielen Studiengängen, Zertifikaten und Abschlüssen erkannte er aber, das ihm etwas fehlte. Das Wissen über sich selbst. Die Praktiken in einem buddhistischen Kloster erlaubten ihm etwas über sich selbst zu erfahren

Eine Lektion teilt er in diesem Video und ich finde mich absolut darin, wieder.

Die Geschichte lautet wie folgt: Es war einmal ein Mann, der lebte am Fuß eines großen Berges. Jeden Morgen wachte er auf und fragte sich, wie es wohl ist, diesen Berg zu erklimmen und was er oben wohl sehen würde. Eines Tages machte er sich auf seine Reise. Am Fuße des Berges traf er einen Wanderer. Er fragte ihn, welchen Weg er denn genommen hätte und wie seine dort oben war.  Der Wanderer erzählte ihm seine Geschichte von seinem beschwerlichen und steinigen Weg und der wundervollen Aussicht, die er dort oben hatte. Der Mann überlegte kurz und war verunsichert. Da muss es doch noch einen anderen, weniger steinigen und beschwerlichen Weg geben. Er entschied sich für eine andere Route und traf wieder auf einen Wanderer. Er stellte die gleichen Fragen und bekam dieselben Antworten. Er traf auf seinem Weg 30 Wanderer und alle Gespräche verliefen ähnlich. Schlussendlich dachte sich der Mann: „Nun, wo ich soviele Wanderer getroffen habe die mir alle beschrieben haben wie der Weg sich anfühlt und vor allem wie der Blick von oben ist, weiss ich nun wie der Blick auf dem Gipfel ist und brauche diesen Berg nicht mehr zu besteigen.“

 

Die Moral von der Geschichte ist einfach zusammengefasst: 
1. Jeder Mensch muss seinen eigenen Weg zum Gipfel finden

2. Du wirst viel Information über den Gipfel finden, aber es wird für dich unmöglich sein zu erfahren, wie es ist, auf dem Gipfel zu stehen.

Hier kommt meine eigene Erfahrung ins Spiel. Unwissentlich und weit bevor ich dieses Video entdeckte, buchte ich aus einer Schnapslaune heraus meinen Trip zum Mount Everest. Ich war untrainiert, aus der Form geraten und meine Erfahrung im Wandern lag viele Jahre zurück, wenn sie überhaupt vorhanden war. Hint: Mein Ziel war nicht der Gipfel sondern das Basecamp auf 5.140m

Die 5 Hindernisse der Selbstbeherrschung.

Selbstbeherrschung empfinde ich als ein sehr strenges Wort. Englisch klingt es etwas schöner: Self Mastery. Um „Self Mastery“ zu erfahren müssen wir uns 5 Hindernissen stellen, so wie auch ich mich 5 Hindernissen in Nepal stellen musste. Ich belasse diese Wordings bewusst im englischen:

1. Sensual Desire

Sensual Desire“ erfährst du in dem Moment, in dem deine 5 Sinne etwas wahrnehmen, das dir ein positives Gefühl gibt. Namché Bazaar ist der erste Ort den du erreichst, wenn du das Everest Tal betreten möchtest. Nach einer ausgesprochen gefährlichen Landung in Lukla, dem gefährlichsten Flughafen der Welt, erreichst du Namché Bazaar in 2 Tagesmärschen. Der zweite Tag bestand gefühlt nur aus Treppenstufen und war für mich die größte Herausforderung meiner Reise. In Namché findest du den höchsten Irish Pub der Welt. Stell dir vor, du hast den größten Teil deiner Reise noch vor dir und du erreichst einen Platz, der voller Gerüche, Geschmäcker und netter Menschen ist. Ein Platz zum Verweilen. Wäre ich diesen Reizen gefolgt, hätte ich meinen Weg bereits verloren, bevor er richtig anfing.

2. Ill Will / Aversion

Hier geht es um die negative Emotion, etwas was du einfach nicht magst, eine Person die du ablehnst oder eine Situation die dich abstößt. Schon am zweiten Tag, realisierte ich das die Wege sehr schmal und hoch sind. Ich mag Höhe nicht sonderlich. Ein Großteil des Weges bestand aus verwurzelten Treppenstufen. Ich mag Treppen nicht, sie sind unkomfortabel. Nichts daran hat meinen Weg zu einem angenehmen Weg gemacht. Hätte ich nicht gelernt diesen Gefühlen keinen Raum zu geben, wäre ich schlicht nicht weitergegangen.

3. Dullness / Heavyness

Glücklicherweise habe ich keine Schwere oder Trägheit auf meiner Reise erfahren, sicherlich kennt der ein oder andere dieses Gefühl aber aus dem aktuellen Lockdown. Fehlende Motivation, Schläfrigkeit, Apathie – all das kann zu Depressionen führen. Der Buddhismus spricht hier von einem Gefängnis, du findest dich selbst wieder in einer Zelle, die es dir schwer macht Kraft und Energie sowohl mental als auch körperlich zu finden. Du musst einen Weg aus dieser Zelle finden! Um jeden Preis!

4. Restlessness

Etwas das ich persönlich oft fühle. In meinem Kopf ist es immer laut, Ideen, Gedanken, alles prasselt über mich herein und es fällt mir manchmal schwer das vernünftig zu ordnen. Das Ergebnis ist dann Chaos. Reisen wie diese, helfen mir meine Gedanken zu sortieren und mich zu fokussieren. Meditation kann helfen, ist aber nicht für jeden etwas. Im alleine reisen und in ausgedehnten Wanderungen habe ich mein Mittel zur Ruhe und Aufmerksamkeit gefunden. Die Kunst im hier und jetzt zu leben, sich nicht auf die Vergangenheit und Zukunft zu konzentrieren ist wie ein Muskel den es zu trainieren gilt.

5. Sceptical Doubt

Schaffe ich das? Ist das der richtige Weg? Ist das das richtige für mich? Fragen die wir uns täglich stellen. Wenn ich ehrlich bin, sind das genau die Fragen die ich mir gestellt hätte, wenn ich nicht in der Schnapslaune mit der Kreditkarte im Anschlag diese Reise gebucht hätte. Die Schnapslaune ist mit Sicherheit nicht das richtige Tool um seine Skepsis zu besiegen aber die Message ist doch: Wäre ich meiner Skepsis gefolgt, hätte ich diese wundervollen Erfahrungen nicht machen dürfen und den Mount Everest nicht mit eigenen Augen gesehen.

Meister Shi Heng Yi stellt in seinem Video 4 Techniken vor die dich vor diesen Hindernissen schützen sollen:

1. Recognize – In welcher Phase befinde ich mich?
2. Accept – Ich akzeptiere das ich mich in dieser Phase befinde.
3. Investigate – wie bin ich da hineingeraten? Warum bin in dieser Phase? Was sind die Konsequenzen, wenn ich in dieser Phase verbleibe?

4. Non-Identification

  • Ich bin nicht der Körper
  • Ich bin nicht der Verstand
  • Ich bin nicht mein Gefühl

Ich kann diese 3 Aspekte über mich klar wahrnehmen und verändern. Es sind nur Gefühle, Befindlichkeiten. Die Falle ist, sich mit ihnen zu identifizieren.

Diese Lektion konnte ich gut für mich, anhand meines Nepaltrips, reflektieren und ich bin mir sicher das auch du solche Herausforderungen erlebt hast. Die einen hast du meistern können, die anderen nicht. Nun hast du eine klarere Sicht auf die Dinge.

Edmund Hillary, der erste Mensch der den Gipfel des Mount Everest bezwang, sagte damals:

“Its not the mountain we conquer, but ourselves”.

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